Wir scheuen keine Nässe, denn wir wandern im strömenden Regen, stundenlang. Wir fürchten keine Kälte, denn wir schlafen in Zelten bei Temperaturen um Null Grad. Wir lieben diese Freiheit, denn wir sind draußen zu Hause. Jack Wolfskin.
"Jack Wolfskin" Markenzeichen und Signet.
So, oder so ähnlich würde ich unser „Brand Commitment“ beschreiben. Zu moderner Markenführung gehört seit einer Weile neben dem typischen Instrumentarium des Marketings auch das „Personnel“, also die Schulung und Kompetenzeinbindung der Mitarbeiter, die eine Marke zum Kunden hin vertreten. Das Commitment wird hier übersetzt mit der Hingabe, der Verpflichtung oder dem Bekenntnis zur Marke. Je kompetenter und überzeugter ich eine Marke vertrete, umso wahrscheinlicher überzeuge ich die Kunden von der versprochenen Qualität.
So praktisch lassen sich theoretisch erlernte Studieninhalte mit der Praxis erklären. Ob das auch so ankommt, ist natürlich von Fall zu Fall verschieden. Ich arbeite nun schon seit Februar 2010 in einem der deutschlandweit 213 direkten Jack Wolfskin Stores. Die Eigenmarke wurde 1981 durch den Hanauer Ulrich Dausien und seiner Firma Sine ins Leben gerufen. Als die Etablierung zur vollen Zufriedenheit fortschritt, wurde diese von der Firma eigenständig gemacht, um sie als starke Marke allein auftreten lassen zu können. Ab 1991 wechselten die Eigentümer mehrere Male, mit jedem Weiterverkauf steigerte sich der Verkaufspreis immens. Als 1993 mit dem ersten offiziellen Store in Heidelberg der Weg für eigene Markenläden geebnet war, erlebte die Marke innerhalb Deutschlands (zumindest wirkt es aus heutiger Sicht so) mehr und mehr ihren kommerziellen Durchbruch.
Der Store, in dem ich arbeite, ist Teil eines Einkaufszentrums. Diese Tatsache ist, abhängig vom Wochentag, bedeutend für das Kundenaufgebot. Da sich die Arbeitszeiten für Studenten typischerweise um die Wochenenden einordnen, kann
Promotionbilder der Winterkollektion 2011.
ich mich zwischen Donnerstag und Samstag immer auf rege Kaufmotivation einstellen. Das gilt generell im Einzelhandel. Wenn ich um diese Zeit den Laden betrete, tummeln sich darin durchschnittlich sechs bis zehn Kunden. Ich entledige mich meiner (wetterfesten) Bekleidung, laufe zügig an den Jacken- und Fleeceständern vorbei, passiere den ladeneigenen Mini-Parkour zum Testen unserer Schuhtypen, streife von der Decke baumelnde Isolationsschlafsäcke und gelange durch eine Tür ins Lager. Hier angekommen, drehe ich mich einmal halb um meine Achse, schalte die Kaffeemaschine an, nehme Kaffee-Pad und Tasse aus dem Regal und stelle alles an seinen zugehörigen Platz. Soviel Zeit muss sein. Verglichen mit den gut 100 Quadratmetern Storefläche wirkt das Lager wie ein schmaler Schlauch. Die Wandregale sind bis obenhin voll gestapelt mit Schuhkartons, im hinteren Teil hängen auf verstärkten Streben die Vorräte an Wetterjacken aller Art. Momentan ist das Lager leer, die Saison neigt sich dem Ende zu, Rabattschlachten sind angesagt, auch hier.
Mit dem gemachten Kaffee geht es zurück durch den Laden. Freundlich werden alle durch meinen Blick erreichbaren Gesichter begrüßt. Ich ernte ein freundliches Lächeln einer jungen Dame hier, das teilnahmslose Nicken eines Endfünfzigers dort. Wie wir halt tendenziell so sind, wir Deutschen. Das Wissen um die Zielgruppe ist bei Jack Wolfskin, abhängig von der Region des Stores, oft der Schlüssel zum Erfolg. Der langtourig Wandernde, der Auf-sich-allein-Gestellte, der alpine Bergwanderer, die wasserresistente Campingfamilie, die Nachkommen von Chuck Norris, alternative Mütter mit ihren Kindern, welche Waldkindergärten besuchen, und meine Lieblinge, die wahren Jacks von Wolfskin. Sie alle eint der Gedanke, für länger geplante Vorhaben an der frischen Luft robuste, wasserdichte, oder auch atmungsaktive Materialien zu erstehen. Mit dem Großteil der Kunden bin ich schnell beim ‚Du‘, wir reden über Expeditionen und Kurztrips, ich höre mir Farb- und Funktionswünsche an, wir vergleichen, probieren an, vergleichen wieder. Ich bin immer bestrebt, meine Meinung über die probierte Bekleidung abzugeben, nicht selten müssen wir etwas über den Online-Versand in den Store bestellen. Selten bleibt es nur bei der Jacke. Dann sollen noch die passenden Schuhe dazu her. Welche Lederaufarbeitung es sein darf, wie das Profil beschaffen sein muss, was die Membran aushalten soll, und unter welchen Bedingungen wird der Schuh zum Einsatz kommen wird. Die typischen Fragen. Alsbald gesellen sich Familienmitglieder dazu, auch andere Kunden klinken sich mit ein. Es ist diese intensive, jedoch ungezwungene Betreuung, die diesen Nebenjob von anderen im Einzelhandel unterschiedet. „Brand Commitment“ eben. Das bindet die Kunden. Ich treffe sie oft wieder oder es wird am Telefon nach mir gefragt und der Store wird den Verwandten empfohlen. Ein schickes Gefühl, Stress ist gleichwohl vorprogrammiert. Wer eher schüchtern, wortkarg, oder sogar menschenscheu ist, wird hier keinen Spaß finden. Wollen mehr als drei Kundenpaare eine konkrete Auskunft, gerne auch auf Englisch, Französisch oder Spanisch, kann die Übersicht schonmal verloren gehen. Es ist wichtig, dass ich immer ein halbes Ohr
für die Kunden habe, ohne den anderen Kundenwunsch zu vergessen. Der Überblick über Namen und Funktionen der einzelnen Saisonprodukte gehört dazu, dies alles in sich aufzusaugen, dauert hingegen eine gewisse Zeit. Auf die Schulungen legt unser Store wert. Teamsitzungen nach Feierabend (20 Uhr) gehören wenigstens einmal im Monat dazu, regelmäßig schaut der Area-Manager für Berlin / Brandenburg vorbei. Wir unterhalten uns über Neuerungen, diskutieren Kundenbemerkungen und Anreize und werden instruiert über Membranen, Isolationsmaterialien, Stofftypen und Trägersysteme. Wer einfach nur Jacken verkaufen möchte, geht woanders hin.
Die zunehmende Kommerzialisierung der Marke erweiterte den Kundenstamm von wirklichen Trekkern und Hikern auf den Otto-Normal-Verbraucher. Dieser Trend ist in der Expansion der Marke natürlich zu begrüßen, reduziert jedoch den Gehalt von Kundengesprächen. Otto sucht dann lediglich eine „Jacke gegen Regen“ und Schuhe zum Wandern im heimischen Wald. Wasserabweisend und wasserdicht sind dann schnell mal das Gleiche, Hauptsache ist, dass man in der Jacke nicht schwitzt. Es liegt in meinem Feingefühl für den Charakter des Kunden, ob ich ihm die Unterschiede und Bedingungen erkläre oder nicht. Oft gehört das Gespräch zu Reinigung und Imprägnierung bei Kaufwunsch der Bekleidung schon zum Höchsten der Gefühle. Es gibt dann noch die Kandidaten, die mir erklären wollen, wie unsere Produkte funktionieren, sich darüber auslassen, warum wir für „Fernost-Ware“ dennoch unzumutbare Preise verlangen, oder weshalb die Logos in solch stechendem Gelb gestickt sind, da sich dass doch niemand ansehen könne, ohne sofort Augenkrebs zu bekommen. Gekauft wird trotzdem. Und da der Kunde König ist, bekommt bei mir jeder das Produkt, das er oder sie sich wünscht.
Ordnung und Sauberkeit gehören zum Feierabend ebenfalls zu den glorreichen Aufgaben. Einer macht die Mülltour ins Untergeschoss, der andere swiffert durch den Store. Auch die Verantwortung des Auszählens der Kasse gehört abends uns Studenten. Der Dienst läuft meistens in Schichten um die fünf Stunden, manchmal auch acht, selten einen ganzen Ladentag lang mit zehn Stunden. In regelmäßigen Abständen, meist zum Wechsel der Kollektionen, dürfen wir uns auch kreativ ins Konzept des Stores einbringen, bauen um und gestalten neu. Da alle Jack Wolfskin Stores in einem Franchise-System organisiert sind, gibt es zwischen meinem Bericht hier und anderen sicherlich Abweichungen. Wir hier haben alle einen persönlichen Draht zu einander und genießen zwei Mal im Jahr einen Erlebnisausflug mit der Chef-Etage als Dank für die Zusammenarbeit, beispielsweise im Kletterpark oder in einem Kanu auf dem Wasser. Wer Vergnügen daran hat, mit spezielleren Kundinnen und Kunden auf spezifischen Kleidungsfang zu gehen, und einen trotzdem überschaubar routinierten Arbeitsalltag zum Studium sucht, ist hier gut aufgehoben. Mitgift ist die Bereitschaft, sich fachbezogen schulen zu lassen und den Samstag als Werktag zu akzeptieren. Geboten wird ein Arbeitsumfeld mit lockerer Atmosphäre und Wertschätzung.
Denis